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Auch der Archäologe setzt auf Präsenz

... dafür muss er alles, was er schon weiß ständig über Bord werfen.


Sie haben hier gewohnt, genau hier, im Degersee, wo wir heute baden. Sie hatten Häuser auf Pfählen. Und gleich hinter der heutigen Liegewiese haben sie Haselnusssträucher kultiviert. Sie haben sie klein und buschig gehalten, damit es leichter war, an die Früchte zu kommen. Mit dem Haselholz haben sie geheizt und ihre Häuser gebaut. Die Felder um den See waren noch nicht wie heute drainagiert. Sie waren dicht bewaldet und unterbrochen von unzähligen Sümpfen, Bächlein und kleinen Tümpeln. Es war eine feuchte Wildnis mit wenigen gangbaren Pfaden. Es muss ziemlich schwer gewesen sein, diese Ansiedlung hier am Degersee zu finden, ohne sich zu verirren.


Es ist schwer zu beschreiben, was in uns Menschen passiert, wenn sich da plötzlich eine ganz neue Welt auftut, wenn wir den Ort, an dem wir leben auf einmal durch eine neue Brille sehen. Vielleicht kann ich es vergleichen mit dem Moment, wo eine Person, die wir geglaubt haben gut zu kennen, uns auf einmal überrascht mit einem ganz unerwarteten Verhalten. Dann wird uns klar, unser Gegenüber ist vielschichtiger und interessanter, als wir geglaubt haben. Wir bemerken, da gibt es Geheimnisse und vielleicht auch Schätze, von denen wir noch nichts wissen. Deshalb gehen unsere Ohren und Augen plötzlich ein Stückchen weiter auf. Wir sind offener und aufnahmelustig, sind auf einmal angeheizt, elektrisiert, schnüffeln Dingen nach, die jenseits dessen liegen, was wir schon kennen.


Das ist der Zustand des lebendigen Lernens. Wir sind bereit unvoreingenommen wahrzunehmen. Eine Fähigkeit, die wir im ESOP-Programm am Bodensee draußen in der Natur gemeinsam kultivieren. Der Archäologe Martin Mainberger unser heutiger Begleiter ist diesbezüglich ein Naturtalent. Ohne die absolute Bereitschaft für Unbekanntes und ohne fein ausgefahrene Antennen, sagt er, findest du nie irgendwelche interessanten Spuren. Du musst alles, was du schon weißt ständig über Bord werfen und mit kindlichen, wachen und neugierigen Augen schauen, nur dann findest du jene Dinge, die es vermögen deine und unsere Welt ein Stück weit neu zu ordnen.


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